Eine neue Bedrohung für Bienenvölker?
von Jochen Kuhn und Hermann Stever
In den
vergangenen Jahrzehnten nahm die öffentliche Diskussion über die Bedeutung
von Elektrosmog als - möglicherweise negative - Einwirkung
niederfrequenter elektrischer und magnetischer Felder auf den
menschlichen Organismus, aber auch auf das Verhalten von Bienen immer mehr
zu. Für elektrische Felder gibt es bis heute in der Physik und speziell in
der Bienenwissenschaft eine Reihe von Untersuchungen, die speziell ein
verändertes Verhalten von Bienenvölkern im Einflussbereich dieser Felder
beschreiben. Eine Zusammenfassung der literaturbekannten Ergebnisse
sowie ein umfangreiches Literaturverzeichnis dazu sind in [7] publiziert.
Für die entsprechenden Fragen im Fall von Imkerei, Bienenhaltung und Bienenkunde steht nach unseren bisherigen Analysen den vielen Studien z.B. über das Bienenverhalten im Bereich von Hochspannungsleitungen bis heute keine Untersuchung über die Beeinflussung des Bienenverhaltens im hochfrequenten elektromagnetischen Feld gegenüber. Und dies, obwohl diese Felder allgegenwärtig sind und ständig zunehmen. Diese Tatsache ist aus mehreren Gründen unverständlich. Zunächst sollte für Imkerei, Bienenhaltung und Bienenkunde der Schutz der Bienen vor neuen Gefahren im Vordergrund stehen. Zudem muss unser besonderes Augenmerk zwei Funktionen gelten, welche mit der Biene verknüpft sind:
Letzteres resultiert aus Untersuchungsergebnissen, welche erkennen lassen, dass die assoziative Gehirnstruktur der Bienen der des Menschen sehr ähnelt (vgl. [9] und [10], S. 79-125). Während über das latente Lernverhalten (z.B. Raumorientierung, Tanzverhalten) unter diesem Aspekt noch wenig bekannt ist, weiß man über das assoziative Lernen bereits sehr gut Bescheid: Das Bienengedächtnis durchläuft sequentielle Phasen, die sich hinsichtlich ihrer Störanfälligkeit und der Beteiligung verschiedener Regionen im Gehirn unterscheiden. Dabei bestimmen die starken nicht assoziativen Komponenten, die vom unkonditionierten Stimulus (Zuckerlösung) ausgehen und vorwiegend in den Antennalloben lokalisiert sind, die früheste Gedächtnisphase. Diese assoziativen Gedächtnisphasen unterscheiden sich in ihrer Empfindlichkeit für die das Gedächtnis schwächende (amnestische) Einwirkungen und in der Rolle, die wiederholte Lernakte spielen. Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass sich Honigbienen ausgezeichnet für Experimente eignen, die zur Aufklärung der neuronalen Grundlagen des Lernens und des Gedächtnisses dienen. Damit bieten sich Bienenvölker unter geeignet zu konstruierenden Voraussetzungen als Bioindikator zur Untersuchung der Einwirkung hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf den Menschen an. Aus geeigneten Beobachtungen bei Bienenvölker könnten entsprechende Erklärungsmodelle für die Einwirkung von elektromagnetischen HF-Feldern auf den Menschen entwickelt werden. Gleichzeitig ermöglichen die hierbei erzielten Ergebnisse einen wirkungsvollen Schutz der Bienenvölker vor der Einwirkung solcher Felder.
Dieser Beitrag soll eine erste Studie zur Untersuchung der Beeinflussung des Bienenverhaltens durch hochfrequente elektromagnetische Strahlung unter verschiedenen Beobachtungsschwerpunkte darstellen. Die beobachteten Effekte sollen anschließend unter bienenkundlichen und daraus eventuell ableitbaren humanmedizinischen Aspekten diskutiert werden.
Studiendesign und Beobachtungsschwerpunkte
Wissenschaftliche Studien unterliegen oft institutionellen und organisatorischen Vorgaben, die die Freiheit bei der Erstellung des Studiendesigns einschränken. Zur Untersuchung der Einwirkung der Hochfrequenzstrahlung musste zunächst ein Hochfrequenzsender eingerichtet werden, was einer vorherigen Genehmigung durch die zuständige Behörde, die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP), bedarf. Aus dieser Genehmigung resultierten folgende technische Vorgaben:
Neben diesen technischen Vorgaben erfordert eine derartige Studie zwei Arten von Bienenvölkern:
Für die Aussagekraft der Studie ist es dringend erforderlich, dass Versuchs- und Kontrollvölker bis auf die Einwirkung der Hochfrequenzstrahlung in allen anderen inneren (z.B. gleiche Bienenrasse, ähnliche Volksstärke usw.) und äußeren Faktoren (z.B. Bienenvolkposition, Ausrichtung, Abstand zum Boden usw.) übereinstimmen. Jeglicher Einflussfaktor, dem ein Volk ausgesetzt ist, das andere jedoch nicht, macht es unmöglich, evtl. auftretende Beobachtungen ausschließlich auf die Beeinflussung durch die Hochfrequenzstrahlung zurückzuführen. Diese Voraussetzungen wurden weitestgehend geschaffen, indem vier Bienenvölker (zwei Versuchs- und zwei Kontrollvölker) der Rasse Apis mellifera carnica mit (standbegatteten) Geschwisterköniginnen aus den Weiselzellen eines Bienenvolkes aufgebaut wurden. Sie wurden in unmittelbarer Nähe zueinander in zweizargigen Segeberger-Styroporkästen positioniert. Dies war möglich, weil die Reichweite des Senders durch die Stabantenne auf einen kleinen Bereich in der direkten Antennenumgebung begrenzt wurde. Wäre die Reichweite der Antenne größer, so müssten die Kontrollvölker vor der Strahlung geschützt werden, was auf einfache Weise durch Ummantelung der Völker mit Aluminiumfolie und Drahtnetz geschehen kann (vgl. [8]). Somit konnten die beiden Versuchsvölker in unmittelbarerer Nähe der Antenne bestrahlt werden, die ca. 5 m entfernten Kontrollvölker (Standabstand c = 5 m) blieben dagegen strahlungsfrei (vgl. Abb.1). Die geometrische Anordnung des Bienenstandes zeigt Abb.2:
Abb. 2: Geometrische Anordnung des Untersuchungs-Bienenstandes (Rückansicht)
Entsprechend Abb.2 wurden sowohl die Versuchs- als auch die Kontrollvölker auf einem Bienenstand positioniert, dessen Boden aus zwei Holzpaletten bestand, die durch Holzpfähle in einer Höhe von 20 cm über dem Erdboden (Bodenabstand b = 20 cm) angebracht wurden. Der Volkabstand a betrug bei Versuchs- und Kontrollvölker 18 cm, wobei die Stabantenne in der Mitte zwischen den Versuchsvölkern (Abstand: 9 cm zu jedem Versuchsvolk) auf den Holzpaletten angebracht wurde.
Diese Anordnung hatte zur Folge, dass an den dem Sender zugewandten Segeberger-Styroporbeutenwänden von V1 und V2 eine elektrische Feldstärke E = 60 V/m auftat (Anm. 2). Die Studiendauer wurde auf 18 Monate angesetzt (Studienbeginn: 01.09.2000), um die während des ersten Bienenjahres gemachten Beobachtungen im zweiten Jahr überprüfen zu können. Beobachtungsschwerpunkte der Studie waren und sind
Studienauswertung (vorläufige Beobachtungsergebnisse)
Die Beobachtungsergebnisse (Stand: Oktober 2001) beinhalten ausschließlich die in der ersten Phase der Studie gemachten Beobachtungen, die im zweiten Studienabschnitt noch zu prüfen sind. Entsprechend den o. g. Schwerpunkten konnten folgende Ergebnisse festgestellt werden:
Zusammenfassung und Folgerungen
Die Beobachtungen der Studie lassen keine schädigende Einwirkung eines frequenzmodulier-ten HF-Signals mit einer Sendefrequenz f = 27 MHz und einer Sendeleistung P = 4 W auf die beiden Versuchsbienenvölker erkennen. Dagegen wurden Einwirkungen beobachtet, die das Bienenleben fördern, wie z.B. ein geringerer Varroa-Befall, erhöhte Agilität, jedoch keine erhöhte Aggressivität. Letzteres steht im Gegensatz zu den Beobachtungen im niederfrequenten elektromagnetischen Feld, die überwiegend von erhöhter Volksaggressivität berichten. Auch eine fehlende Wintertraubenbildung sowie ein erhöhter Schwarmtrieb hatten keine negative Beeinträchtigung der Völker zur Folge, obwohl gerade in der Literatur ein Mangel an Wintertraubenbildung mit einer Volksschädigung in Verbindung gebracht wird (vgl. [1], S. 72). Alle Beobachtungen sind auf die aus der großen Strahlungsleistung resultierenden thermischen Einwirkung zurückzuführen, die die Volktemperatur im Winter im Mittel um ca. 4 °C, im Sommer im Mittel um etwa 3 °C erhöht. Die wissenschaftliche Diskussion (vgl. [2], [3], [5], [11], [12]) lässt vermuten, dass diese Erwärmung zu dem beobachteten, im Vergleich zu den Kontrollvölkern deutlich geringeren Varroa-Befall der Versuchsvölker führt. Denn durch die im Vergleich zur Biene geringere Temperaturtoleranz der Varroamilbe könnte eine kontinuierliche Volkserwärmung um etwa 3 °C im Sommer und ungefähr 4 °C im Winter eine Varroa-Schädigung bzw. -Abtötung bewirken. Die Biene dagegen bleibt unbeschädigt. Somit wäre als Nebeneffekt dieser Studie eine relativ einfache Methode gefunden worden, mit der durch die thermische Einwirkung infolge der Bestrahlung mit einem HF-Sender eine Thermobehandlung zur Bekämpfung der Varroatose möglich erscheint. Aus dem eingangs erwähnten Vergleich zwischen Biene und Mensch ergibt sich, dass durch eine solche thermische Einwirkung das Thermoregulationssystem des Menschen ähnlich wie bei den Bienenvölkern bei Bestrahlung mit diesem Signal aktiviert werden würde, was zu einem erhöhten, durch Strahlungsabsorption bedingten Wärmeempfinden führen würde. Allerdings darf ein Mensch in öffentlich begehbaren Bereichen infolge geltender Gesetzesverordnung (26. BImSchG) einer solchen Strahlungsbelastung nicht ausgesetzt werden.
Ausblick und mögliche Forschungstendenzen
Da die o. g. thermische Einwirkungen gut erklärbar und berechenbar sind, besteht in diesem Bereich auch wenig Forschungsbedarf. Statt dessen werden aus guten Gründen nicht-thermische Einwirkungen hochfrequenter Strahlung auf den Menschen diskutiert, die z.B. durch resonante Erregung entstehen könnten. Dabei sind die Einwirkmechanismen jedoch noch recht unklar. Diese Effekte werden im Zuge der zunehmenden Mobilfunkgeräte v.a. im Bereich der Handy-Nutzung erörtert.
Dabei ist es jedoch sehr schwierig, durch Studien am menschlichen Gehirn, das dieser Strahlung am intensivsten ausgesetzt ist, signifikante Effekte zu untersuchen. Man bräuchte einen Bioindikator, dessen Gehirnstruktur der des menschlichen Gehirns sehr ähnlich ist und dessen körperliche Ausmaße im Bereich einer resonanten Erregbarkeit bei Mobilfunkfrequenzen (Anm. 5) liegt. Bienen erfüllen beide Anforderungen: Sie können uns Menschen daher in diesem Problemkomplex als wichtige Diagnose-Sensoren dienlich sein. Die Ergebnisse sind aber auch für Lebensweise und Verhalten der Bienen selbst ggf. von existentieller Bedeutung. Was das zuletzt Gesagte mit Blick auf die möglicherweise hochbrisanten Einwirkungen der von Mobilfunkgeraäten ausgehenden HF-Strahlung auf lebende Organismen betrifft, so ist die Biene als Bioindikator zweifach interessant:
Demnach sind Untersuchungen an Bienen im GSM- und UMTS-Frequenzbereich neben der speziesimmanenten Beeinflussung von Bienen auch für die Einwirkung dieser Felder auf den Menschen unerlässlich. Deshalb sollten zukünftig vermehrt Studien im Mobilfunkbereich initiiert werden, die Bienen als Bioindikatoren und als Probant zum Gegenstand haben. Nur so können die noch offenen Fragen nach möglichen nicht-thermischen Einwirkungen durch HF-Strahlung geklärt werden.
Zusammenfassend lässt sich also feststellen: Die Biene scheint durch thermische Einwirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder mit der untersuchten Frequenz von f = 27 MHz nicht gefährdet zu sein. Der Einfluss dieser Strahlung könnte sogar als ein sehr probates Mittel gegen die Varroatose fungieren. Ob die Biene durch nicht-thermische HF-Strahlung gefährdet ist, ist heute noch offen. Diese Fragestellung ist günstigerweise im Zusammenhang mit der Untersuchung einer möglicherweise schädigenden Einwirkung dieser Strahlung auf den Menschen anzugehen, da die Biene durch strukturelle Ähnlichkeiten im Gehirn einen vielversprechenden Bioindikator darstellt.
Literaturverzeichnis
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