Überarbeitete Fassung eines Vortrages beim Imkerverein Landau am 2. Dezember 1993:
Der Imker auf dem Wege vom Nutzer der Umwelt zum Partner in der Mitwelt - Imkerei zwischen Ökonomie und Ökologie
von Hermann Stever
Der Stellenwert
der Imkerei in unserem Lande und unserem Kulturkreis hat sich im Laufe der
Jahrhunderte grundsätzlich verändert:
"Neue Gülte, Zins und Zehnten
Dagegen lesen wir in einem aktuellen Bericht des GSF-Forschungszentrums, der im Spätsommer 1993 in fast allen Bienenzeitschriften publiziert wurde:
" In der EG kommen ca. 200 000 Honigbienen auf einen km2 Landfläche. Sie sichern 90 % der Bestäubungstätigkeit bei ungefähr 80 000 Pflanzenarten. .... Ohne Honigbienen käme es in kürzester Zeit zur Auslöschung von ca. 20 000 Pflanzenarten. ....Die Biene erfüllt auf diese Weise eine ökologische Funktion, die für die ganze menschliche Gemeinschaft unentbehrlich ist." [2]
In der
Bewußtheit dieser Erkenntnis, die seit Sprengel (1792) - also seit 200
Jahren - zum imkerlichen Standardwissen gehören könnte, müßte die
Bienenhaltung heute eine Blüte erleben, die weit über die Ausstattung mit
Privilegien hinausgeht, die das Zeidelwesen je besessen hat.
Werfen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte der Imkerei in deutschen Landen, die zugleich immer ein Stück Kulturgeschichte wiederspiegelt. Schon in älterer Zeit haben hervorragende Geister, Philosophen und Dichter die Bienen mit Staunen und Bewunderung beobachtet und z. T. (uns heute) recht seltsam anmutende Ansichten über das Verhalten der Bienen und Bienenvölker verbreitet. Die Bienenhaltung war bis ins 15. Jahrhundert ein Wirtschaftszweig von großer Bedeutung (Wachsgewinnung) und mit entsprechenden Privilegien ausgestattet. Mit der Reformation ließ die Nachfrage der Kirche nach Wachs spürbar nach. Außerdem kamen mit der Entdeckung Amerikas und der Eröffnung des Seeweges nach Ostindien jährlich wachsende Mengen von Zucker, Wachs und Honig nach Europa. Beide Ereignisse führten zu einem wirtschaftlichen Niedergang des Zeidelwesens, der durch die kriegerischen Ereignisse des 16. bis 18. Jahrhunderts noch verstärkt wurde.
Erst das 18. Jahrhundert führte zu einer Neubewertung der Bienen und der Bienenzucht
Dabei erfährt die Bienenzucht durch die Obrigkeit und Regierung starke Förderung in Form von Prämienregelungen für die Bienenhaltung und durch strafrechtlichen Schutz gegen Frevel.
In diesem Zusammenhang wird immer gerne auf das Dekret von Maria Theresia, "gegeben ob dem Königl. Prager Schlosse den 30. August 1776" verwiesen; die Förderung der Bienenzucht in Österreich geht aber wohl auf Leopold I. zurück, der das erste, die Bienenhaltung betreffende Gesetz bereits 1679 erlassen hat [3]. Aber auch die Preußenkönige und die Könige von Hannover haben die Bienenhaltung unter ihren Schutz gestellt [4]. Für uns in der Pfalz ist hier der Pfalzgraf der Kurpfalz, Karl Theodor von der Pfalz (1724-1799) aufzuführen, der nachweislich die von Riem 1768 gegründete Bienengesellschaft von Kaiserslautern förderte, um die Bienenzucht im Lande zu verbessern. Karl Theodor setzt im Jahre 1775 Geldprämien für die Vermehrung von Bienenvölkern aus und stellt gleichzeitig das Abschwefeln von Bienenvölkern mit 2 Taler, den Bienendiebstahl mit bis zu 10 Jahren Zuchthaus unter Strafe.
Aber alle staatlichen Prämienregelungen und Subventionen bringen keinen wirtschaftlichen Durchbruch und versagen als Lenkungsinstrumentarium bei der Förderung der Bienenzucht. Wirtschaftlich aufwärts geht es erst auf der Basis der wissenschaftlichen Erkenntnisse im 19. Jahrhundert, die durch imkerei-technische Erfindungen die "rationelle" Bienenhaltung ermöglichen, gleichzeitig infolge der damit einhergehenden Diskussion wissenschaftlicher Erkenntisse zu einer Entmythologisierung führen. Abbildung 1 zeigt den erfolgreichen, in späten Jahren hochgeehrten Reformer Johannes Dzierzon (1811 - 1906).
Die Chronologie der Ereignisse in Stichworten:
Mit diesen Entdeckungen und Erfindungen war ein lawinenartiger "Beutenstreit" losgetreten, der teilweise glaubenskriegähnliche Ausprägungen annahm. Es argumentierten "Empiristen" gegen die "Rationalisten" (und umgekehrt) über den Nutzen der Zuchtmethode gegenüber der Schwarmbienenzucht in einer Weise, deren Nachwirkungen wir z. T. heute noch verspüren. Diese Auseinandersetzungen sind in zahllosen Beiträgen bedeutender regionaler Imkerzeitschriften ebenso dokumentiert, wie in Traktaten und kleinen Schriften - oft im Selbstverlag der Autoren erschienen.
Abbildung 2: Die genannten Erfinder mit ihren Entwicklungen am
unteren Rand des Bildes.
Dies war die Zeit der Gründung von Bienenzuchtvereinen und entsprechenden imkerlichen Zeitschriften zur Belehrung und Anleitung der Vereinsmitglieder. Für die Pfalz wurde 1856 der Pfälzische Bienenzuchtverein gegründet, er begann 1860 mit der Herausgabe der zunächst unregelmäßig erscheinenden Zeitschrift "Der Pfälzer Bienenzüchter" zur Darstellung des Mobilbetriebes "besonders nach der Dzierzon´schen Methode". Dies war auch die Zeit, in der zahlreiche, noch heute existierende lokale Imkervereine in der Pfalz als "Zweigverein" des Pfälzischen Bienenzuchtvereins gegründet wurde. (z.B. hatte der IV Speyer in diesem Jahr sein 130jähriges Bestehen). Die Zeitschrift wurde dann später mehrfach umbenannt und ist von 1870 bis 1936 als Monatsblatt regelmäßig erschienen. Der Erfolg der Bemühungen der Schriftleitung ergibt eine Auswertung der Viehzählung vom 1. Dezember 1892, in der für die letzte Dekade eine Steigerung der Anzahl der Bienenvölker um 18,5% ermittelt wurde. In der Leipziger Bienen-Zeitung von 1894 lesen wir dazu: "Wenn Baron von Berlepsch mit seinem Ausspruch:" Der Stock mit beweglichen Waben wird stets der Stock der intelligenten Imker bleiben", Recht hat, so können sich die pfälzer Bienenzüchter freuen, ein intelligentes Geschlecht zu sein. Den schlagendsten Beweis für die Intelligenz nahezu aller Pfälzer ergab jedoch die Statistik vom 1. Dezember vorigen Jahres, welche klipp und klar zu Tage förderte, daß es in der Pfalz dermalen nur "15 Esel" giebt" (Feßmeyer in LBZ 1894, S. 42).
Und was hat das alles mit der Ökologie zu tun?
Ich wage die kühne Behauptung, daß der skizzierte Aufschwung des Imkereiwesens durch eine theoriegeleitete "praktische Anleitung zur rationellen Bienenzucht" nicht möglich gewesen wäre, wenn nicht parallel dazu die (in heutiger Sprache) ökologische Bedeutung der Bienenhaltung erforscht worden wäre. Verbunden ist dies in erster Linie mit dem Namen Christian Konrad Sprengel und seinen Schriften "Das entdeckte Geheimnis der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen" (1792) und "Die Nützlichkeit der Bienen und die Notwendigkeit der Bienenzucht, von einer neuen Seite dargestellt" (1811). Sprengel leitet aus der Koevolution von Insekten und Blütenpflanzen die bahnbrechende Einsicht ab: "Fremdbestäubung ist Plan und Absicht der Natur" und folgert zwingend: "Der Staat muß dankbar und froh sein, daß es Imker gibt, sonst wäre er gezwungen, auf Staatskosten ein stehendes Heer von Bienenvölkern zu halten."
Neuere Untersuchungen belegen die schier unglaubliche Bestäubungsleistung der Bienen, die aufgrund ihrer Überwinterung als individuenreiches Volk mit hochentwickeltem Orientierungs- und Kommunikationsverhalten ("Bienentänze") nach Zander 88% der Obstblüten bestäuben. Um ein paar Zahlen zu nennen: Um 1 kg Honig zu erzeugen müssen ungefähr 6 Millionen Kleeblüten oder 7,5 Millionen Rapsblüten oder 2 Millionen Akazienblüten angeflogen werden, wobei sich bis zu 5 Millionen Pollenkörner an einer Biene befinden. So richtig wertvoll wird die Bestäubungstätigkeit der Bienen aufgrund deren Blütenstetigkeit, eine Eigenschaft, die erst den eigentlichen Bestäubungsnutzen bewirkt:
Alles eine Folge der Blütenstetigkeit, einer außergewöhnlichen Lernleistung der Bienen, die sie von Hummeln und Wildbienen grundlegend unterscheidet. Es kann nicht deutlich genug herausgestellt werden, daß der Honig- und Wachsertrag nur 10 % des Nutzens der Bestäubung bei Natur- und Kulturpflanzen ausmacht.
Die Tatsache, daß die Honigbienen ganzjährig in einer familienartigen Gemeinschaft (nach Gerstung "der Bien") leben, durch Arbeitsteilung in Kasten gegliedert, in einer Beute auf Wabenbau, läßt Zander von einer "gottgewollten Einheit" sprechen und damit an mythische Traditionen in der Bienenhaltung anknüpfen.
Damit ergibt sich die zwanglose Überleitung zu ökologischen Aspekten der Imkerei in einem erweiterten Sinne: Man findet in der Literatur häufig das bekannte Analogiedenken, bei dem das Sozialverhalten des Bienenvolkes mit dem menschlicher Gemeinschaften verglichen wird.
Allerdings führt dieser Vergleich zu sehr widersprüchlichen Ergebnissen:
Alle diese Aspekte gehören nach meinem Verständnis zum ökologischen Umfeld, auch wenn heute bei der Erörterung des Verhältnisses von Imkerei und Ökologie aus imkerlicher Sicht fast ausschließlich eine verengte Sicht auf die naturerhaltende Bedeutung der Bienenzucht dominiert. Es seien hier nur die Reizworte "Bestäubungsprämie", "Verbesserung der Bienenweide" und "staatliche Subvention für Tierarzneimittel" exemplarisch für die Forderung nach Schutzmaßnahmen für Bienen wiedergegeben.
Bei dieser zulässigen, aber einseitigen Perspektive wird nur allzuleicht vergessen, daß es wunderbare Vorgänge im Bienenvolk gibt, die bei weitem noch nicht erforscht sind. Wir Imker dürfen dieses Wunderwesen Biene hegen und pflegen, erleben im Umgang mit dieser Wundermacht "Bien" unsere schönsten Stunden, wenn, - ja wenn wir in uns den "Sklavenhalter, der die Sonnenkinder in seine Dienste zwingt" (H. Ritter) und der nur von der Frage getrieben wird "was verdiene ich dabei?" in die Schranken weisen.
"Wenn ich in aller Ruhe meine Völker bearbeite, dann bleiben Telefon, Besucher und die Tageshektik zurück und ich werde ruhig und ausgeglichen und fühle mich wohl. .... Ich meine, die ideellen Werte sind unbezahlbar" (W. Drymalla in [9]). Diese Äußerung eines bekannten Praktikers dokumentiert exemplarisch einen Wandel in der Bienenhaltung, der einem "Paradigmenwechsel" gleichkommt. Die ausschließliche Konzentration auf die Produktgewinnung ( Nutzung der Umwelt ) wird abgelöst durch ein partnerschaftliches Verhalten in der Mitwelt.
Bindeglied sind die tiefschürfenden Erkenntnisse zur Biologie der Biene, ihrer Zuchtmöglichkeiten sowie möglichen Krankheitserregern und seuchenhaften Geschehnissen auf der einen Seite und entsprechende Einsichten zur Biologie und Entwicklung der Mitwelt des Menschen andererseits. Ein deutliches Indiz für diesen grundsätzlichen Wandel - auch der emotionellen Einstellung - ist die wachsende Fürsorge zahlreicher Imker für Wildbienen, die (wie unser Imkerfreund Klaus Müller in Nußdorf [10] ) neben dem Bienenhaus einen "Wildbienenstand" anlegen.
Lassen sie mich abschließend auf der Basis der dargestellten Vielschichtigkeit der Facetten der Bienenzucht meine imkerlich-ökologische Grundüberzeugung so formulieren: Wer einmal Einblick bekommen hat in diese Wunderwelt der Bienen, kommt nicht mehr davon los und kann sich ein Leben ohne Bienen nicht mehr vorstellen. Aber zunehmend setzt der Umgang mit Bienen profunde Kenntnisse sowohl über das Verhalten des Organismus "Bien" als auch über seine biologische Sonderstellung im Schöpfungsplan voraus. Diese sind geradezu die Bedingung für ein partnerschaftliches Verhalten des Bienenhalters in der Mitwelt, welches
Literatur
|
|||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Zurück zur Seite "Veröffentlichungen"
|