Privatwissenschaftliches Archiv

Bienenkunde, Landau/Pf.

 

ADIZ 30 / Die Biene 132 (1996), Heft 9, S. 14-15:

 

 

Tendenzen auf dem Honigmarkt

 

von Ulrike Kassner und Tobias Stever

 

 

 

Nach einer Mitteilung des DIB [1] wird in diesem Jahr im Oktober "eine anonyme Imker-Befragung zur tatsächlichen Honigerzeugung" durchgeführt. In einer Notiz im Deutschen Bienen Journal 4/96 wird diese Maßnahme erklärt und begründet. Ein wichtiges Argument ist dabei: "....ist bekannt, daß der deutsche Honigmarkt durch Importe gesättigt werden muß, weil (angeblich!) die Eigenerzeugung zu niedrig ist. Wäre die Menge der deutschen Honigerzeugung bekannt, könnte dies den Honigimport abschwächen." [2, S.III].

 

Es bietet sich also auch unter diesem Aspekt einmal an, das Geschehen auf dem internationalen Honigmarkt zu analysieren:

 

Einer Notiz in der Financial Times [3] entnehmen wir, daß wegen einer fortlaufenden Unsicherheit bezüglich Produktion und Angebot die Preise im ausgeglichenen weltweiten Honigmarkt in den letzten zwölf Monaten um über 50 % gestiegen sind. Im Gegensatz dazu hat sich die weltweite Nachfrage nur wenig geändert, sie ist seit 20 Jahren weitgehend konstant.

 

Verschieben könnte sich das Gefüge der Exportländer für Honig. Dies hängt zum einen an schlechten klimatischen Bedingungen, die die Ernten kleiner als gewohnt ausfielen ließen, zum anderen vielleicht auch am demoralisierenden Effekt niedriger Preise zum Anfang der neunziger Jahre auf die Imker. Aktuelle Informationen zur Honigpreis-Situation auf dem Weltmarkt veröffentlicht das Imkerei-Technik Magazin in unregelmäßiger Folge [4].

 

Die frühere Sowjetunion ist bisher nur ein kleiner Partner auf dem Weltmarkt. Ihre Produktion beträgt 231.000 Tonnen jährlich, wovon jedoch nur 6.000 Tonnen exportiert werden. Bei europäischen Fachleuten herrscht überwiegend die Einschätzung, daß sich dies auch in Zukunft nicht ändern wird, da auf dem Markt bis auf weiteres eine Unsicherheit über die Herkunft und die Kontinuität des Angebotes gegeben sein wird. Auch ist nach [ 3 ]eine gewisse Unsicherheit über eine eventuelle Qualitätseinbuße dieses Honigs infolge Rückstandsbelastungen zu verzeichnen. Allerdings hegt man in den GUS-Staaten die Hoffnung auf einen Anstieg des Exportes. Einige Proben sibirischen Honigs wurden in europäischen Labors untersucht und die Qualität wurde mit gut bewertet.

 

China ist derzeit der zweitgrößte Honigproduzent und der weltgrößte Exporteur. Im letzten Jahr wurden 150.000 Tonnen Honig erzeugt, wovon 53 % verschifft wurden. Die chinesische Produktion wird meist für Mischhonige verwandt, der als Brotaufstrich der häuslichen Konsumenten genutzt wird. Nebenbei sei hier erwähnt, daß in Großbritannien der Marktanteil von Mischhonigen derzeit 80 % beträgt.

Zu Beginn der Neunziger Jahre hat China durch eine Erhöhung seiner Exportquote, es hat große Bestände zusätzlich auf dem Weltmarkt angeboten, erreicht, daß der sog. CIF-Preis, der im europäischen Handel für eine Tonne Honig gezahlt wird, auf 700 Dollar sank. Andere Exporteure, wie zum Beispiel Argentinien, Australien oder Mexiko, mußten daraufhin ebenfalls ihre Preise nach unten korrigieren.

Der CIF-Preis ist eine in Außenhandelsverträgen angewandte Vertragsformel, deren Bedeutung von der internationalen Handelskammer in Paris festgelegt wird. CIF ( = Cost, Insurance and Freight) bedeutet, das der Exporteur die Kosten für die Verpackung, die Versendung der Ware bis zum Bestimmungshafen sowie die Versicherung trägt, das Transportrisiko bei der Verschiffung der Ware aber auf den Importeur übergeht.

 

Um dem drastischen Preisverfall entgegenzutreten, hat die chinesische Regierung ein System von Exportlizenzen eingeführt und auf diese Weise wieder Ordnung in die Verkäufe nach Übersee gebracht. Nach der Einführung dieser Maßnahmen sind die Preise für chinesischen Honig auf nun 1.200 Dollar pro Tonne angestiegen und haben die Preise der übrigen Anbieter mit sich gezogen.

 

In Mexiko war 1995 die Ernte mehr als 50 % geringer als üblich. In zwei wichtigen honigproduzierenden Provinzen wurden über die Hälfte der Bienenvölker durch einen Hurrikan vernichtet. Als Konsequenz hieraus stiegen die Preise der Honige der anderen zentralamerikanischen Länder, beispielsweise der von Guatemala und El Salvador um über 25 % seit September letzten Jahres.

 

Anhaltende Dürre hat sowohl in Australien als auch in Argentinien eine schleichende Auswirkung auf die Imker, während der Einfluß ungewöhnlich heftiger Regenfälle in einigen Provinzen im Norden Chinas vermutlich erst zu spüren ist, wenn die neue Ernte im frühen Sommer eingebracht wird.

 

Derzeit stellt China die Heimat von 7,5 Millionen Bienenvölkern dar, die einen durchschnittlichen Ertrag von 25 kg je Volk erbringen. Einige chinesische Wissenschaftler vertreten die Meinung, daß aufgrund der Nektar-Verfügbarkeit mehr als 25 Millionen Völker in China existieren könnten.

Bei den chinesischen Imkern handelt es sich zumeist um Kleinimker mit weniger als 50 Bienenvölkern. Sie wandern im allgemeinen mit der Tracht von Süden nach Norden und führen dabei ihre Ausrüstung samt Bienenhaus mit sich. Die Regierung beschäftigt 10.000 Menschen zur Unterstützung der Honigproduktion. Aber auch die chinesischen Imker haben mit Preisanstiegen zu kämpfen, zum einen steigen die Transportkosten, zum anderen entstehen Kosten für die Bekämpfung der Bienenkrankheiten.

China mußte den Rückgang der Exporte nach Europa und nach Japan, wo ein Rückgang der Beliebtheit an Bienenprodukten zu verspüren ist, kompensieren und sich Alternativmärkte erschließen. China baute deshalb zu den USA Geschäftsbeziehungen auf und konnte zeitweise 30.000 Tonnen jährlich absetzen. In letzter Zeit sank dieser Absatz aufgrund einer erfolgreichen Anti-Dumping-Kampagne und der Auferlegung von Importquoten auf 20.000 Tonnen Honig pro Jahr.

 

Ein weiterer, derzeit nur schlecht kalkulierbarer Gegenstand, der Chinas Stand auf dem Weltmarkt schwanken lassen kann, ist ein möglicher Anstieg der privaten Nachfrage. Der Pro-Kopf-Verbrauch in China liegt bei 100 g, was vergleichsweise gering ist. Würde der Verbrauch auf 160 g ansteigen, so entspräche dies der Jahresproduktion und es könnte kein Honig mehr exportiert werden. Würde der chinesische Bedarf gar auf durchschnittlich 250 g ansteigen, so wie er derzeit in Brasilien und Argentinien liegt, dann würde China zum größten Importeur werden.

 

Momentan ist der Honighandel in Deutschland Nutznießer dieser Situation. Von den 90.000 Tonnen Honig, die jährlich verzehrt werden, sind 70.000 Tonnen importiert. Dies entspricht etwa der Hälfte der der in die Europäische Union eingeführten Menge. Darunter sind 10.000 Tonnen aus China. Allerdings stammt der meiste Honig in Deutschland aus Mexiko und Argentinien. Auch für Sortenhonige ist Deutschland ein wichtiger Markt, begehrt ist beispielsweise britischer Heidehonig oder Honigspezialitäten, wie sie in dem Buch von Elisabeth de Lestrieux [4] charakterisiert werden. Allgemein gilt, daß derzeit in Europa neuseeländischer Manuka-Honig der beliebteste importierte Sortenhonig ist.

 

Beunruhigt sind die europäischen Imker darüber, daß die Zölle für Importe aus Dritte-Welt-Ländern gelockert werden. Dies setzt eine Branche aufs Spiel, die sowieso schwer angegriffen ist. Derzeit können diese Länder die Qualitätsansprüche der Europäer noch nicht erfüllen, aber dies ist vermutlich nur eine Frage der Zeit.

 

 

 

Literatur

 

[1]

Deutscher Imkerbund (Hrsg.): "Imker-Umfrage 1996: Honigmengenerzeugung"; DIB-Aktuell 8/95, S. 3f.

[2]

o. V.: "Imker-Umfrage Honigernte 96"; Deutsches Bienen Journal 4, 1996, Heft 4, Seite III.

[3]

Alastair Guild: "Honey market hits a sticky patch"; Financial Times vom 19.03.96, S. 25.

[4]

o. V.: "Honigpreis-Situation auf dem Weltmarkt"; Imkerei-Technik Magazin 1995, Heft 2, S. 33; Heft 4, S. 34; 1996, Heft 1, S. 34.

[5]

E. de Lestrieux: "Honig für Feinschmecker"; Köln 1995.

 

 

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