Privatwissenschaftliches Archiv

Bienenkunde, Landau/Pf.


 

Deutsches Bienen Journal 5 (1997), Heft 2, S. 14-15:

 

 

Die Qualität des Honigs - zu Regeln und Gütezeichen

 

von Tobias Stever

 

 

 

Betrachten man einige Ergebnisse der Honigprämierungen der letzten Jahre, so zeigt sich ein überraschendes Ergebnis: Obwohl die Imker vermutlich nur ihre besten Honige einreichen, wird immer wieder eine hohe Anzahl von Losen ausgeschieden. Es ist davon auszugehen, daß die Honige mit besonders großer Sorgfalt auf die Prämierung vorbereitet werden. Da die Kriterien des Prüfungsbogens landläufig bekannt sind, wird manchmal sogar das Honiglos für die anstehende Prämierung präpariert.

Es wird sicherlich auch die Erwartungen des größten Optimisten übertreffen, wenn alle Lose mit einem ersten Preis bedacht würden. Auf der einen Seite sind die Prüfungskriterien, besonders hinsichtlich der äußeren Form, besonders streng. Auf der anderen Seite kann einem trotz sorgfältiger Arbeit ein Fehler unterläuft. Allerdings kommt es trotz dieser optimalen Vor-bereitungsmöglichkeiten immer noch zu einer erheblichen Zahl an Ausschlüssen (Tabelle 1).

 

Landesverband

Jahr

Lose

Gold/Silber

Bronze

ausgeschieden

Quelle

Württemberg

1996

221

200

7

14

10,5 %

[1]

Bayern

1995

97

o. A.

o. A.

5

5,1 %

[2]

Bayern

1994

90

o. A.

o. A.

7

7,8 %

[3]

Württemberg

1994

121

107

5

9

7,4 %

[4]

Tabelle 1: Ergebnisse einiger Honigprämierungen

 

 

Durchgängig durch alle Prämierungen waren die häufigsten Gründe für Punktabzug in der Aufmachung und im Zustand des Honigs zu suchen. Dagegen sind die häufigsten Gründe für das Ausscheiden von Honiglosen ein zu hoher Wassergehalt des Honigs und ein Unterschreiten des Füllgewichts.

 

Selbst für einen außenstehenden Betrachter muß sich an dieser Stelle die Frage stellen, wie es um die Qualität des deutschen Honig bestellt ist, wenn es bereits unter diesen Bedingungen zu derart groben Fehlern kommt. Wie sieht denn erst die Qualität des Honigs aus, der nicht bewußt getestet, sondern "nur" verkauft werden soll ? Haben sich die Maßnahmen, die zum Schutz unserer Imkereiprodukte getroffen wurden, bewährt ?

 

 

Was ist eigentlich Qualität ?

 

Nicht ganz ernst, aber durchaus treffend ist Definition: "Qualität ist, wenn der Kunde zurückkommt und nicht das Produkt."

Wissenschaftlich eindeutig wird der Begriff "Qualität" in der Norm DIN ISO 8402 [5] definiert als

"Die Gesamtheit von Merkmalen (und Merkmalswerten) einer Einheit bezüglich ihrer Eignung, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen."

Weniger wissenschaftlich ausgedrückt bedeutet dies, daß Qualität die Erfüllung von vorher festgelegten Eigenschaften ist.

Qualität ist demnach das Normale und nicht das Besondere oder Außergewöhnliche. Ein Honigbonbon für 10 Pf. muß genauso verkehrsfähig sein und einen guten (den erwarteten) Geschmack aufweisen wie ein besonders feiner Bärenfang für 30 DM. Tut er das nicht, wird der jeweilige Kunde das Produkt nicht noch einmal kaufen. Der Kunde erwartet also berechtigterweise auch vom einfachsten Produkt, daß es die angepriesenen Vorzüge erfüllt.

Um Qualität zu erzeugen, müssen also zunächst einmal die Eigenschaften, die das Produkt erfüllen soll, vorher festgelegt werden. Ist der Kunde mit dem Produkt unzufrieden, so kann dies zwei Ursachen haben:

- Die Eigenschaften wurden nicht kundengerecht festgelegt.

- Das Produkt hat die erwarteten Eigenschaften nicht erfüllt.

 

Welche Erwartungen an unsere Produkte konkret gestellt werden, kann jeder Imker bei seinen eigenen Kunden erfahren. Im direkten Gespräch lassen sich für den Einzelfall am besten die Wünsche der Kundschaft ermitteln.

Auch der DIB hat Umfragen und Marktanalysen durchgeführt und veröffentlicht. Diese werden als Grundlage für die Festlegung einer Marketingstrategie für deutschen Honig benötigt. Finanziert wurden sie aus dem Werbebeitrag.

Demnach müßten eigentlich jedem Imker die Ansprüche seiner Kunden an seine Produkte bekannt sein.

 

 

Welche Maßnahmen zur Sicherung der Qualität sind in der Imkerei vorhanden ?

 

Betrachtet man die derzeitige Situation der Imkerei in Deutschland näher, so kommen eine ganze Reihe von Maßnahmen zum Vorschein, die die Sicherung der Qualität von Produkten zum Ziel haben. Diese lassen sich grob in drei Bereiche unterteilen:

 

1. Gesetze und Verordnungen

 

Als oberste Instanz stehen die Forderungen der Gesellschaft, die sich in Gesetze und Verordnungen widerspiegeln. Diese staatlichen Forderungen betreffen in erster Linie die Aspekte Gesundheit, Verbraucherschutz, Umweltschutz und Sicherheit der Produkte. Kundenwünsche wie zum Beispiel Geschmack, Aufmachung, Gebrauchstauglichkeit oder Aussehen, werden nicht berücksichtigt.

Die Gesetze versuchen, den Verbraucher zu schützen, indem sie Mindestanforderungen an ein Produkt oder eine Leistung formulieren.

Die Imkerei ist von zahlreichen Gesetzen der unterschiedlichsten Bereiche betroffen. Dies sind beispielsweise das Bieneneinfuhrgesetz, die Honigverordnung, die Los-Kennzeichnungs-Verordnung, das Tierseuchengesetz oder das Produkt-Haftungs-Gesetz. Es ginge sicherlich zu weit, an dieser Stelle alle existierenden Gesetze und Verordnungen aufzuführen. Es soll nur gezeigt werden, daß es eine ganze Reihe von staatlichen Reglementierungen gibt.

 

 

2. Richtlinien und Gütezeichen des Deutschen Imkerbundes (DIB)

 

Noch bevor es von staatlicher Seite ein Gesetz zum Schutz des Honigs gab, hat sich der DIB Gedanken über die bessere Vermarktung des Honigs gemacht. Als Resultat dieser Überlegungen ist das Gewährzeichen entstanden.

Heute bildet die Warenzeichensatzung, die die Verwendung des Gewährstreifens regelt, das Herzstück der Qualitätsicherung bei den deutschen Imkern. Sie legt Grenzwerte und Eigenschaften verbindlich fest, die der Honig im deutschen Einheitsglas aufweisen muß. Dabei gelten strengere Kriterien als bei der Honigverordnung. Mancherorts werden die Bemühungen um einen hohen Qualitätsstandard noch durch regionale Herkunftszeichen unterstützt.

 

Allzu oft wird in der Qualitätsdiskussion das Augenmerk nur auf den Honig gelegt, so daß eine durchaus wichtige Richtlinie, die Zuchtrichtlinie des DIB, vergessen wird. Deshalb wird oftmals übersehen, daß auch die Züchter etwas produzieren bzw. erzeugen. Um auch die Zucht in geordneten Bahnen zu lenken, hat der DIB bereits 1950 eine erste Zuchtrichlinie veröffentlicht und bis heute weiterentwickelt. Sie regelt unter anderem die Anerkennung der Züchter, Belegstellen und Besamungseinrichtungen und die Überwachung der Vermehrungsbetriebe.

In der breiten Öffentlichkeit ist sie vermutlich deswegen nicht im Gespräch, da sie nicht zu Werbezwecken verwendet wird.

 

Auch die anderen Interessenvertretungen der Imker, die nicht dem DIB angehören, legen ihre Qualitätsstandards durch entsprechende Richtlinien fest. Zum Beispiel hat die Gemeinschaft der Buckfast-Imker eine eigene Zuchtrichtlinie.

 

 

Ist die existierende Reglementierung ausreichend ?

 

Die vorhandenen Richtlinien, Satzungen, Verordnungen und Gesetze haben sicherlich mit dazu beigetragen, daß sich die deutsche Imkerei im internationalen Vergleich nicht zu verstecken braucht. Bis heute konnte sie sich auf ihrem Markt behaupten, auch wenn es hier und dort Absatz- und Preisprobleme gibt.

 

Nachteilig ist allerdings, daß es in der vorhandenen Reglementierung keinen roten Faden durch die Imkerei gibt. Immer wenn es Probleme zu lösen galt, wurden "an einer Ecke" neue Vorschriften erlassen. Sie stehen aber oftmals in keinem Zusammenhang zueinander, sondern schreiben nur Zielwerte vor. Dabei können sie verständlicherweise nur wenig Rücksicht auf die imkerliche Umgebung nehmen. Imker mit nur wenigen Bienenvölkern haben schließlich auch eine andere Ausrüstung und meist auch eine andere Betriebsweise als Großimkereien. Für beide muß das Reglement aber gültig sein.

 

 

Weitergehende Richtlinien und Gütezeichen

 

Mit als einer der ersten Verbände hat der Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund erkannt, daß dieses System nicht ausreichend sein kann. Er hat ein Gütezeichen eingeführt, bei dem nicht das fertige Produkt, sondern der Imkereibetrieb als Ganzes beurteilt wird [6]. Dabei wird geprüft, ob der Betrieb die Voraussetzungen für die Gewinnung und Vermarktung von qualitativ hochwertigem Honig erfüllt. Nach erfolgreicher Prüfung wird für fünf Jahre die Auszeichnung "Vom Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbund anerkannter Imkerfachbetrieb" verliehen. Der DBIB will damit die Position seiner Mitglieder im Wettbewerb auf dem Honigmarkt stärken.

 

Einen ähnlichen Weg sind die Interessenverbände für die ökologischen Landbau mit ihren Fachgruppen für Bienenhaltung, beispielsweise Bioland oder Demeter, gegangen. Sie haben ihrerseits ebenfalls Richtlinien mit Gütezeichen für ihre Mitglieder erarbeitet und ein Kontrollsystem aufgebaut.

Bei der Erarbeitung der Richtlinie wurde von den Organisationen festgelegt, daß das Entscheidende an dieser Betriebsweise eine wesensgemäße Bienenhaltung ist, die durch den Betriebsablauf gewährleistet wird. Deshalb wurden viele Vorgaben hinsichtlich Wachskreislauf, Varroatosebekämpfung, Zucht oder Beutenmaterial gemacht.

 

 

Sind diese Qualitätssicherungssysteme umfassend und ausreichend ?

 

Um einen möglichst hohen Qualitätsstandard für alle Produkte und Leistungen des Betriebes gewährleisten zu können, ist es wichtig, daß es ein Qualitätssicherungssystem gibt, welches sich wie ein roter Faden durch den Betrieb zieht. Wie dieses System aussieht, kann von Betrieb zu Betrieb sehr unterschiedlich sein, da schließlich auch die einzelnen Betriebe sehr unterschiedlich sind. Wichtig ist dabei, daß der Qualitätsgedanke bereits dann berücksichtigt wird, wenn eine Arbeit geplant und vorbereitet wird. Zum Beispiel lassen sich Fluglinge während einer Schlechtwetterperiode nur schwerlich bilden, da die Flugbienen von den Brutlingen nicht abfliegen können. Auch ist es sehr ärgerlich, wenn der Kunde eine verdorbene Ware zurückbringt, nur weil diese im Betrieb verkehrt gelagert wurde.

 

Letztendlich entscheidend für das Bestehen auf dem Markt ist, daß jeder Imker für sich und seinen Betrieb ein System findet, mit dem er für seine Produkte einen qualitativ hohen Standard unter Einhaltung aller Gesetze und Vorschriften gewährleisten kann. Wenn es ihm dann noch gelingt, dies seinen Kunden begreiflich zu machen, hat er einen klaren Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Mitanbietern.

 

 

Wie kann ein zukünftiges Qualitätssicherungssystem aussehen ?

 

Immer häufiger kann man auf beliebigen Produkten ein Emblem mit einem Text "Betrieb zertifiziert nach ISO 9001" entdecken. Dabei handelt es sich um Anwendung der internationalen Normenreihe ISO 9000 ff. zur Qualitätssicherung, die ihren Ursprung in der Automobilindustrie hat. Sie ist jedoch sehr allgemein aufgebaut, so daß sie bei jedem Produktionbetrieb oder Dienstleistungsunternehmen angewendet werden kann. Dabei ist die Größe des Unternehmens unwichtig. Die Spannbreite reicht inzwischen von Rechtsanwaltskanzleien bis zu Mineralwasserabfüllern.

Inhalt dieser Normen ist ein Leitfaden über die verschiedenen Elemente eines Qualitätssicherungs-Systems. Es werden grundsätzliche Begriffe des Qualitätsmanagements (QM) erklärt, der Aufbau eines QM-Systems beschrieben und die Forderungen an die Unternehmensleitung, an den Einkauf, an die Produktion, an das Marketing und den Verkauf dargelegt.

Allerdings enthält die Norm keine Vorgaben, an die sich der Anwender halten kann und damit ein System besitzt, im Rahmen dessen er fehlerfreie Ware produzieren kann. Sie dient lediglich als Anleitung zum Aufbau eines eigenen QM-Systems. Allerdings sind sogenannte Forderungen an die Qualitätssicherung in Form von 20 Elementen zu erfüllen.

 

Die Einführung eines QM-Systems nach der ISO 9000 ff. in einem Betrieb ist weder einfach noch billig. Deshalb kommt sie mit Sicherheit für die wenigsten Imkereibetriebe in dieser Form in Betracht. Wie weit es den Erzeugergemeinschaften und Honiggenossenschaften gelingen wird, in Zukunft ohne diese Zertifizierung auszukommen, wird sich zeigen. Der kleine Imker, der seinen Honig nur an der Haustür verkauft, wird auf jeden Fall darauf verzichten können.

 

Viel entscheidender als ein Zertifikat nach ISO 9000 ff. ist für den einzelnen "kleinen" Imker die innere Überzeugung, nur hochwertige Qualität produzieren zu wollen. Ebenso wichtig ist die Einstellung aller im Betrieb Beteiligten, ständig ihre Abläufe zu überdenken und zu Verbesserungen bereit zu sein. Es gilt der Satz: "Qualität beginnt im Kopf !"

Es gilt zu überlegen, wie man dies in der Praxis umsetzen und für den Kunden dokumentieren kann. Die australische Imkerorganisation hat vor einiger Zeit ein Konzept (Code of Practise) zur Qualitätssicherung erarbeitet, das auf dieser ISO 9000 ff basiert. Die Darstellung dieser Aktivitäten würden sicherlich den Umfang dieses Beitrages sprengen.
Die ersten Erfahrungen aus der Praxis in Australien müßten in der nächsten Zeit vorliegen. Es gilt dann gegebenenfalls Überlegungen zu einer ähnlichen Umsetzung der Norm in Deutschland zu erarbeiten. Vielleicht ist aber auch ein völlig anderes Konzept sinnvoller. Gedanken und Überlegungen hierzu werden zu gegebener Zeit folgen.

 

 

 

Literatur

 

[1]

Bergen, Hildegard: "Honigprämierung 1996"; Bienenpflege 1996, Heft 6, S. 216-218.

[2]

Schaper, Friedgard: "Honigprämierung 1995"; Imkerfreund, 51, 1996, Heft 6, S. 4-8.

[3]

Schaper, Friedgard: "Honig- und Wachsprämierung 1994"; Imkerfreund, 50, 1995, Heft 6, S. 12-14.

[4]

o. Autor: "Honigprämierung 1994"; Bienenpflege 1994, Heft 6, S. 201-202.

[5]

DIN ISO 8402 "Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung, Begriffe"; Berlin, Beuth Verlag.

[6]

Deutscher Berufs- und Erwerbsimkerbund e.V.: "Richtlinien für die Anerkennung als Imkerfachbetrieb"; beschlossen vom Vorstand am 26.10.91 in Donaueschingen.

 

 

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