Privatwissenschaftliches Archiv

Bienenkunde, Landau/Pf.


 

Schweizerische Bienen-Zeitung, 123 (2000), Heft 10, S. 593-595:

 

 

Imker als Bestäubungsdienstleister der Zukunft

 

von Tobias Stever

 

 

 

Die Bedrohung von Wildbienen durch knapper werdende Lebensräume ist seit vielen Jahren ein Gespächsthema. Ob tatsächlich - wie von vielen Naturschützern behauptet - eine Verdrängung der Wildbienen und Hummeln durch die Honigbienen stattfindet, konnte bisher noch nicht eindeutig durch die Wissenschaft geklärt werden. Daß inzwischen auch in umgekehrter Richtung ein Verdrängungsprozeß stattfindet, ist indes nur wenig bekannt: Der Einsatz von künstlich gezüchteten Hummeln und Wildbienen bei der gewerblichen Bestäubung nimmt zu.

 

Mauerbiene in Japan

 

Vorreiter beim gezielten Einsatz von Wildbienen zu Bestäubungszwecken ist Japan [1]. Dort wird die gehörnte Mauerbiene, Osmia cornifrons, seit mehr als 60 Jahren zur Bestäubung von Apfelblüten eingesetzt. Seit 1965 wurde die Vermehrung der Mauerbienen auch wissenschaftlich untersucht und Methoden für ihre Vermehrung in großen Populationen entwickelt. Dies ermunterte die Landwirte zu ihrem Einsatz bei der Bestäubung von Apfel-, Birnen-, Pfirsich- und Pflaumenbäumen. Die gehörnte Mauerbiene war die erste Bienenart weltweit, die nur zur wirtschaftlichen Bestäubung eingesetzt wird.

1981 wurden etwa 10% aller japanischen Obstplantagen von der gehörnten Mauerbiene bestäubt. Ihr Anteil an der Bestäubung könnte noch größer sein, hätte der massive Einsatz von Pestiziden nicht die natürlichen Vorkommen zerstört. Es hat sich gezeigt, daß die Mauerbienen sehr effektiv arbeiten. Es gibt mehrere Gründe dafür, daß ihre Bestäubungsleistung bei Apfelblüten etwa 80fach besser ist als die der Honigbiene: Sie bevorzugen die Apfelblüten gegenüber anderen Blüten, fliegen und arbeiten in der Blüte schneller und verlassen die Plantagen nicht. Zudem berühren sie die Staubbeutel und Stempel beständig und transportieren mehr Pollen, was insgesamt zu einer größeren und höherwertigeren Ernte führt. Dabei reichen cirka 600 Exemplare der weiblichen Mauerbiene pro Hektar Obstplantage aus (gegenüber zwei Bienenvölkern für die gleiche Größe).

 

Hummeln für Gewächshäuser

 

Don Griffiths und Ewert Jan Robberts beschäftigen sich seit einiger Zeit mit dem Einsatz von Hummeln für die Bestäubung von Tomaten in Gewächshäusern [2]. Tomatenzüchter sind bereit, einen hohen Preis für Hummelvölker zu bezahlen, da Hummeln die Blüten der Tomatenstauden effektiver bestäuben als Honigbienen oder zitternde "elektrische Bienen". Die Hummeln schwingen - im Gegensatz zu den Bienen - ihre Flügeln mit einer hohen Frequenz, so daß der Pollen von den Tomatenblüten abfällt und übertragen werden kann. Das Ergebnis ist eine wirkungsvolle Bestäubung.

Die gewerbliche Zucht von Hummelvölkern ist allerdings sehr aufwendig. Dies liegt zum einen an den Schwierigkeiten, Hummeln das ganze Jahr über durch Zucht für die Bestäubung bereitzustellen und damit die Tiere entgegen ihren natürlichen Lebensgewohnheiten zu halten. Zum anderen ist es wichtig, das ganze Jahr über eine gleichbleibende Qualität der Völker zu gewährleisten. Die ganzjährige Züchtung kann durch eine künstliche Überwinterung von begatteten Königinnen erreicht werden, indem man sie mit Kohlendioxid begast. Dieses Verfahren, unterstützt durch den Einsatz von jungen Honigbienen (Arbeiterinnen), regt die Königinnen zur Eiablage an.

Auch Züchter anderer Treibhausgemüse (beispielsweise Auberginen, Paprika oder Erdbeeren) setzen Hummelvölker für die Bestäubung ihrer Pflanzen ein. Für den Einsatz im freien Feld wird von diesen Völkern bisher noch kaum Gebrauch gemacht.

 

Wildbienen gegen Wildbienen

 

Zunächst ist festzuhalten, daß diese Vermehrung durch künstliche Zucht für die bedrohten Wildbienen und Hummeln aus der Sicht des Naturschutzes generell keine Verbesserung ihrer Situation bedeutet. Zum einen werden nur einige wenige Arten gezüchtet, da die größte Zahl von Ihnen für die gewerbliche Bestäubung uninteressant ist. Zum anderen werden sie nur bei Bedarf gezielt lokal oder regional eingesetzt. Das heißt, daß in weiten Bereichen nicht mit einem vermehrten Auftreten von Wildbienen gerechnet werden kann.

In den Gebieten, in denen sie zur Bestäubung eingesetzt werden, kann es sogar passieren, daß sie durch ihr vermehrtes Auftreten verwandte Arten in Bedrängnis bringen: So kommt es in Israel und Neuseeland inzwischen zu sogenannten "Hummelverschmutzungen" durch die gezüchteten Tiere [3]. Denn diese stellen eine starke Konkurrenz für die einheimischen Wildbienen dar. Eine Lösung dieses Problems ist noch nicht in Sicht.

Eine weitere Schwierigkeit stellt die Gefahr der Übertragung von Krankheiten oder Parasiten dar, die beim gewerblichen Austausch zwischen verschiedenen Ländern besteht. Zudem können sich durch eine mögliche Einkreuzung die Erbmaterialien der Artgenossen des aufnehmenden Landes negativ verändern.

 

Wenig Konkurrenz für Honigbienen

 

In Deutschland stellen die künstlich gezüchteten Wildbienen keine Konkurrenz für die Honigbienen dar, da überhaupt nur wenige Trachten in nur einigen Regionen in Mitteleuropa für Wildbienen geeignet wären. Viele Trachten haben keinen wirtschaftlichen Zweck, deshalb käme auch niemand auf die Idee, auf die Honigbienen zu verzichten.

 

Man muß die Effektivität verschiedener Bienenarten bei der Pollenübertragung betrachten, um abschätzen zu können, welche Art für die Bestäubung einer bestimmten Pflanze am meisten geeignet ist. Wildbienen sind meist sehr spezialisiert, das heißt, sie sind nur an wenigen Blütenarten interessiert. Die meisten Blüten befliegen sie selbst bei einem entsprechenden Angebot nicht. Auch deshalb lassen sich Wildbienen (und Hummeln) nicht unbedingt problemlos gegen Honigbienen austauschen.

 

Zubrot für Erwerbsimker?

 

Vielleicht könnte es aber für Berufsimker interessant sein, in die gewerbliche Wildbienenzucht einzusteigen. Als Anbieter von Bestäubungsleistungen könnte sich der eine oder andere ein zweites Standbein aufbauen und damit unabhängiger von der klassischen Bienenzucht (Honigertrag, Zucht) werden. Der Imker würde somit Dienstleister für Bestäubungen aller Art. Er würde mit Honigbienen, Wildbienen und Hummeln den an Bestäubung ihrer Kulturen interessierten Landwirten und Obstbauern das für den jeweiligen Bestäubungszweck passende "Bestäubungswerkzeug" zu liefern: Honigbienen für Feldfrüchte wie Raps (und Obstgärten), Hummeln für Gewächshauskulturen (z.B. Tomaten, Paprika) und evtl. auch Solitärbienen im Obstbau (Gehörnte Mauerbiene für Apfelplantagen) und im Futterpflanzenbau (Blattschneiderbienen für die Luzerne in der Saatzucht). Da man heute Hummeln in großen Mengen kommerziell heranziehen kann, wird der Nachteil hoher Kosten für Aufzucht und Haltung inzwischen abgebaut.

 

 

 

Literatur

 

[1]

Batra, Suzanne W. T.: "Hornfaced Bees for Apple Pollination"; American Bee Journal, 138, 1998, Heft 5, S. 361+365.

[2]

Griffiths, Don u. Robberts, Ewert Jan: "Bumble bees as pollinators of glashouse crops"; in: "Bumble bees for pleasure and profit" von Andrew Matheson (Hrsg.); Cardiff, Wales, IBRA, 1996, S. 33-39.

[3]

Westerkamp, Chr.: "Von Ölquellen, Pflanzentapeten und Parfümfläschchen: Bienenvielfalt aus der Blütenperspektive"; Vortrag am 15. März 1998 in Kirchhain.

 

 

Zurück zum Seitenanfang

Zurück zur Seite "Veröffentlichungen"

Zurück zur Startseite