Privatwissenschaftliches Archiv

Bienenkunde, Landau/Pf.


 

Deutsches Bienen Journal 10 (2002), Heft 9, S. 374-375:

 

 

Ab wann gilt eine Königin als gebraucht?
Gewährleistungsrecht für Bienenvölker und Königinnen

 

von Tobias Stever

 

 

 

Manchmal klingen die Angebote ausgesprochen verlockend. Da gibt es im Frühjahr und Sommer Bienenzüchter, die in Anzeigen in Bienenzeitungen ihre Ableger oder Königinnen zum Verkauf anbieten. Um sich von anderen abzuheben, preisen sie bisweilen ihre selbstgezüchtete „Ware“ als „Nachzucht von handbesamten Königinnen“, „leistungsstarke und sanftmütige Königinnen“ oder gar mit dem Text „Meine Bienen werden gezielt auf das Töten von Varroamilben gezüchtet“ an. Andere wiederum bieten Königinnen zu horrenden Preisen an, die außergewöhnlich gute, varroatolerante Eigenschaften haben sollen und eventuell aus nur schwer nachvollziehbaren Quellen stammen.

Solange der Käufer mit den gehandelten Bienen zufrieden ist, bleibt die Welt in Ordnung. Sollte die Königin jedoch nicht die erwartete Legeleistung bringen, das Bienenvolk stechlustig sein oder gar einen Hang zur Kalkbrut aufweisen, kann die Enttäuschung beim Käufer groß werden. Im schlimmsten Fall fühlt er sich über den Tisch gezogen.

 

Neues Gewährleistungsrecht

 

 Für Abhilfe sorgen kann in einem solchen Fall evtl. die seit dem 01. Januar 2002 geltende Novelle des Verbraucherrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), welche dem Käufer beim Handel mit gewerblichen Anbietern mehr Schutz bieten soll. Der Umstand, dass diese neuen gesetzlichen Regelungen für den Kauf von Fahrrädern und Waschmaschinen ab sofort auch für Zucht- und Nutztiere gelten, kann in einigen Punkten jedoch zu absurden Konsequenzen führen. Die neuen Regeln gelten für Verkäufe von Unternehmern an Verbraucher. Für Verkäufe unter Privatleuten sind abweichende Fristen und Regelungen maßgeblich.

 

Die Gewährleistungsfrist

 

Zunächst einmal wurde die Gewährleistungsfrist im Kaufrecht von sechs Monaten auf zwei Jahre angehoben (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB). In diesem Zeitraum kann der Käufer dann Mängel reklamieren. Allderings gibt es hier Ausnahmen: Wenn etwa bei einem Joghurt kurz nach dem Kauf das Verfallsdatum überschritten wird, kann man auch in Zukunft nicht auf zwei Jahre Gewährleistung pochen. Auch  natürlicher Verschleiß oder normale Abnutzung ist von der Gewährleistung ausgeschlossen.

Die Übertragung auf die Bienenhaltung wirft jedoch Fragen auf: Ist es normaler „Verschleiß“ oder ein echter Mangel, wenn der im Herbst gekaufte Ableger im darauffolgenden Frühjahr nur schwach auswintert? Sollten die Züchter für ihre Königinnen ein Verfallsdatum angeben, um sich auf den juristisch sicheren Weg zu begeben?

Anders verhält es sich mit gebrauchten Waren. Hier ist – wiederum bei Verkäufen von Unternehmern an Verbraucher - eine Verkürzung der Gewährleistung auf ein Jahr erlaubt (§ 475 Abs. 2 BGB). Doch was bei Gebrauchtwagen Gang und Gebe ist, wirft bei der Bienenhaltung erneut Fragen auf: Ab wann ist eine Königin gebraucht? Ist der Zeitpunkt des Schlüpfens aus der Weiselzelle, der Begattung oder der ersten Eiablage anzunehmen? Auch bei Ablegern stellt sich die Frage, ob diese nach der ersten Honigernte oder bereits früher als gebraucht zu gelten haben.

 

Umkehr der Beweislast

 

Zu Schwierigkeiten wird auch eine weitere Neuregelung führen, die für technische Geräte durchaus sinnvoll ist: Geht beispielsweise ein Wäschetrockner innerhalb der ersten sechs Monate kaputt, so wird zugunsten des Verbrauchers vermutet, dass die Sache bereits von Anfang an fehlerhaft war - es sei denn, der Händler kann beweisen, dass beim Verkauf noch alles mit dem Gerät in Ordnung war (Umkehr der Beweislast, § 476 BGB).

Genau diese Beweislastumkehr gilt nun auch für Tiere. Nur lässt sich ein Bienenvolk nicht so leicht bedienen wie ein Wäschetrockner. Selbst das schwarmträgste Volk wird versuchen zu schwärmen, wenn während der Frühjahresentwicklung die Beute nicht ausreichend erweitert wird. Und auch sanftmütige Bienen können bei wiederholter grober Behandlung ihre Sanftmut vergessen, ohne dass der Verkäufer auch nur irgendeinen Einfluss darauf hat. Und selbst bei richtiger Behandlung können die Bienen krank werden. Wie soll ein Bienenzüchter beweisen, dass eine bestimmte Krankheit nicht schon bei ihm aufgetreten ist, sondern durch die Reinvasion vom Nachbarstand verursacht wurden?

 

Ein Vertrag als Ausweg?

 

Man sollte meinen, mit einem Kaufvertrag zwischen Verkäufer und Käufer ließe sich dem Dilemma begegnen. Doch beim Verbrauchsgüterkauf ist jede Vereinbarung, die von den gesetzlichen Regelungen zum Nachteil des Verbrauchers abweicht – zum Beispiel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen - unwirksam (§ 475 Abs. 1 BGB). Insbesondere darf die Gewährleistungsfrist nicht verkürzt werden (§ 475 Abs. 2 BGB). Vom Gesetz abweichende Vereinbarungen sind selbst dann unwirksam, wenn sich der Käufer damit einverstanden erklärt.

Helfen kann ein Vertrag allerdings bei der Festlegung der Eigenschaften des Gegenstandes. Fehlen nämlich besondere Vereinbarungen über die Beschaffenheit des Kaufgegenstands, kommt es auf den vom Vertrag vorausgesetzten oder gewöhnlichen Vertragszweck an. Es gilt also als Mangel oder Fehler, wenn das Gekaufte nicht „wie üblich“ oder „wie zu erwarten“ genutzt werden kann (§ 434 Abs. 1 und 2 BGB). Doch wie lassen sich Sanftmut oder Wabenstetigkeit eindeutig festlegen? Und was ist von einem Bienenvolk zu erwarten? Ab wann beginnt eine gute Honigleistung oder welche Behandlung muss es beispielsweise bei der Wanderung ertragen können, ohne dass es Schaden nimmt?

Nicht unerwähnt bleiben sollte noch, dass der Verkäufer nun auch dafür haftet, dass die Sache konkret die Eigenschaften aufweist, die in der Werbung angepriesen wurden (§ 434 Abs. 1 S. 3 BGB). Dies gilt unabhängig davon, ob die Werbung vom Verkäufer selbst stammt, vom Hersteller oder von dessen "Gehilfen". Dies dürfte vor allem für den Bienengerätehandel interessant sein, wenn er beispielsweise beim Winterfutter für die Werbeaussagen der Zuckerindustrie gerade stehen soll.

 

Die Nacherfüllung

 

Bei einem aufgetretenen Mangel kann der Käufer jetzt frei wählen zwischen Nachbesserung oder Ersatzlieferung (sog. „Nacherfüllung“, § 439-BGB). Es sei denn, dies wäre dem Verkäufer unmöglich oder unzumutbar. Wenn also die gewählte Nacherfüllung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist, kann der Verkäufer sie verweigern. Erst wenn die Nachbesserung nach Fristsetzung zweimal fehl schlägt, kann der Käufer Preisnachlass (Minderung) verlangen oder vom Kauf zurücktreten (Wandlung). Selbst Schadenersatz kann der Käufer für sich in Anspruch nehmen: Aufwendungen für Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten im Zusammenhang mit dem Mangel muss der Verkäufer ersetzen. Nicht dagegen den persönlichen Zeitaufwand.

Übertragen auf den Handel mit Königinnen entstehen auch hier Probleme: Sollte die Königin infolge grober Behandlung bei der Einweiselung (etwa beim Einlogieren in einen Zusetzkäfig) verletzt worden sein, müsste der Züchter nun seinerseits beweisen, dass dieser Schaden nicht schon von ihm beim Verpacken für den Versand verursacht wurde. Gelingt ihm dies nicht, bleibt dem Züchter vermutlich nichts anderes über, als dem Käufer eine andere Königin anzubieten. Da diese jedoch wohl kaum im Regal lagern, wird er vielleicht auch gleich anbieten müssen, den Kaufpreis für die verletzte Königin zu erstatten.

 

 

Auch wenn die dargestellte Problematik auf den ersten Blick nach einem verspäteten Aprilscherz aussehen mag, so hat sie durchaus einen ernsten Hintergrund. Die ehrlichen Züchter können Gefahr laufen, dass sie unter Hinweis auf diese neuen Regelungen mit fadenscheinigen Argumenten ausgenutzt werden. Und für die gutgläubigen Käufer von überteuerten, angeblich varroatoleranten Bienen ist die Rechtssicherheit auch nicht unbedingt verbessert worden. Eine Hilfe wäre es vielleicht, wenn die Juristen in den Imkerverbänden Musterverträge entwerfen würden.

Ob es trotz all der Unklarheiten nun zu einer Prozeßlawine unter den Imkern kommen wird, ist zudem fraglich: Diese neuen Regelungen gelten nämlich nur für den gewerblichen Vertrieb. Für Privatverkäufe unter Kleinimkern, die wohl die Mehrzahl der Transaktionen ausmachen, herrscht Vertragsfreiheit, das heißt, hier kann alles vereinbart werden.

Weitere Informationen zu diesem Thema stehen im Internet unter: http://www.vz-nrw.de/SES63511907/doc2129A.html (Verbraucherzentrale NRW).

 

 

 

 

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